Arbeiten wird für IV-Bezüger attraktiver
News, 8. Februar 2022, Nadja Bingesser
Am 1. Januar 2022 ist die Weiterentwicklung der Invalidenversicherung (IV) und somit auch das stufenlose Rentensystem in Kraft getreten. Dies ist die wichtigste Änderung in den Schweizer Sozialversicherungen.
Durchblick im Sozialwesen
Über Versicherungen Auskunft zu geben, ist oft anspruchsvoll. Wir haben einen Bildungsgang, der dich sattelfest macht: Sachbearbeiter/-in Sozialversicherungen edupool.ch.
Einführung des stufenlosen Rentensystems
Der Grad der Invalidität bestimmt, auf welche Rente eine Person mit gesundheitlicher Einschränkung Anspruch hat. Die bisherigen vier Rentenstufen (Viertelsrente, halbe Rente, Dreiviertelsrente, ganze Rente) werden durch ein stufenloses Rentensystem abgelöst.
Es gilt in der Schweiz seit dem 1. Januar 2022 für alle Neurentnerinnen und Neurentner und soll den Anreiz schaffen, die Erwerbstätigkeit zu erhöhen. Bereits laufende Renten werden nach dem neuen System berechnet, wenn sich bei einer Revision der Invaliditätsgrad um mindestens fünf Prozentpunkte ändert.
Die Renten von unter 30-Jährigen werden innerhalb von zehn Jahren ins stufenlose System überführt. Für Versicherte über 55 Jahre wird der Besitzstand garantiert. Die Höhe des Anspruchs auf eine Invalidenrente wird neu in prozentualen Anteilen an einer ganzen Rente festgelegt und nicht mehr in Abstufungen von Viertelsrenten.
Stufenloses Rentensystem und Auswirkungen
Mit dem Wechsel auf das stufenlose Rentensystem erhält die exakte (prozentgenaue) Berechnung des Invaliditätsgrades besondere Bedeutung. Der Wechsel führt zu folgenden Auswirkungen:
Wie bisher werden Renten ab einem Invaliditätsgrad von 40 Prozent gewährt. Der Anspruch auf eine ganze Rente entsteht weiterhin ab einem Invaliditätsgrad von 70 Prozent. Gemäss bisherigem Recht erhielt eine Person ab einem IV-Grad von 40 Prozent eine Viertelsrente, ab 50 Prozent eine halbe Rente, ab 60 Prozent eine Dreiviertelsrente und ab 70 Prozent eine ganze Rente. Das Gesamteinkommen von IV-Rentnerinnen und IV-Rentnern stieg bei zunehmendem Erwerbseinkommen nicht stetig an, sondern reduzierte sich über die Schwellenwerte eines IV-Grads von 70, 60, 50 und 40 Prozent jeweils um 25 Prozentpunkte.
Anreiz zum Arbeiten erhöht
Beispielsweise erhielt man bisher statt einer Dreiviertelsrente nur noch eine halbe Rente, wenn der IV-Grad von 60 auf 59 Prozent sank. Somit hatten Versicherte keinen finanziellen Anreiz, ihre Restarbeitsfähigkeit möglichst vollständig auszuschöpfen. Die bis Ende 2021 geltenden Rentenstufen sind nun ab 1. Januar 2022 durch ein stufenloses Rentensystem ersetzt worden. Damit wird im erwähnten Beispiel die Reduktion der IV-Rente nur 1 Prozent betragen.
Invaliditätsgrad prozentgenau abgestuft
Bei einem Invaliditätsgrad von 50 bis 69 Prozent entspricht der Rentenanspruch (in prozentualen Anteilen einer ganzen Rente) neu genau dem Invaliditätsgrad. Für die Invaliditätsgrade von 40 bis 49 Prozent liegt die Rente zwischen 25 und 47,5 Prozent.
Die neue prozentgenaue Abstufung wird in der Invalidenversicherung und in der obligatorischen beruflichen Vorsorge (BVG) verwendet. Indem der Gesetzgeber die durch die vier Stufen bedingten Schwelleneffekte auf das verfügbare Einkommen beseitigte, wollte er die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit beziehungsweise die Erhöhung des Beschäftigungsgrades von Rentenbezügerinnen und -bezügern fördern.
Muss ich als IV-Rentenbezüger oder -bezügerin etwas unternehmen?
Nein, eine allfällige Anpassung deiner Invalidenrente erfolgt im Rahmen der ordentlichen Rentenrevision.